In der Nacht vom 1. zum 2. Oktober 1943 wollten die deutschen
Besatzer Tausende von dänischen Juden in Konzentrationslager verschleppen. Ein
Gesandter der deutschen Botschaft warnte die Dänen jedoch. Daraufhin lief eine
landesweite Rettungsaktion an und es begann ein Akt beispielloser Solidarität.
„Da tauchten sie plötzlich auf, aus dem Dunkeln – große und kleine Fischerboote. Wir waren völlig überrascht, denn das hatten wir in den drei Kriegsjahren am Öresund noch nicht erlebt. ‚Es sind jüdische Flüchtlinge von drüben‘, rief mir ein Kollege aufgeregt zu.“
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Der frühere
schwedische Zollinspektor Gunnar Nilsson erinnerte sich Jahrzehnte später, wie
er die Rettung dänischer Juden im Oktober 1943 beobachtet hatte.
„Ich dachte
sofort: Hier müssen wir helfen. Drüben auf der anderen Seite saßen ja die
Deutschen, die Dänemark okkupiert hatten!“
Der deutsche Diplomat Duckwitz erfuhr von den
Plänen
Im Frühjahr
1940 hatten deutsche Truppen das neutrale Dänemark besetzt, ohne auf großen
Widerstand zu stoßen. Das NS-Regime gewährte den Dänen daraufhin weitgehende
Autonomie, mit eigener Regierung und Verwaltung. Nach einer Welle von
Generalstreiks und Sabotageakten gegen die Besatzer verlor die dänische
Regierung im Sommer 1943 die Kontrolle über die Situation und trat zurück. Die
„Politik des hinhaltenden Widerstands“, wie manche Dänen die Zusammenarbeit mit
den Nazis beschönigend nannten, war gescheitert. Die Nationalsozialisten
verhängten den Ausnahmezustand und ignorierten alle vorherigen Zusagen, in der
sogenannten Judenfrage nicht aktiv zu werden. Stattdessen erließen sie den
Befehl, sämtliche in Dänemark lebenden Juden in der Nacht vom 1. auf den 2.
Oktober 1943 festzunehmen und zu deportieren.
Als Georg Ferdinand Duckwitz, Diplomat an der deutschen Botschaft in Kopenhagen und insgeheim NS-Gegner, davon erfuhr, warnte er den befreundeten dänischen Sozialdemokraten Hans Hedtoft.
Als Georg Ferdinand Duckwitz, Diplomat an der deutschen Botschaft in Kopenhagen und insgeheim NS-Gegner, davon erfuhr, warnte er den befreundeten dänischen Sozialdemokraten Hans Hedtoft.
„Er konnte
sich das gar nicht vorstellen, dass man in einer solchen Angelegenheit seinen
Partner in derartiger Weise belügen und betrügen würde. Aber es war fast noch
schlimmer, das den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde klarzumachen. Sie wollten
es nicht glauben. Sie hielten es für unmöglich.“
Mitglieder von
Widerstandsgruppen warnten Juden
Gleichwohl
verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Mitglieder von
Widerstandsgruppen suchten Juden zuhause auf und warnten sie vor der
Deportation. Innerhalb kurzer Zeit fanden über 7.000 Menschen Unterschlupf in
Privatwohnungen, Schulen, Altenheimen und Pfarrhäusern, in Scheunen und im
Wald. Dort warteten sie auf die Überfahrt nach Schweden.
„Andere in der Gruppe haben arrangiert mit verschiedenen Fischern, dass sie ihre Boote zur Verfügung stellen, um die Tour über den Öresund nach dem neutralen und freien Schweden bringen konnten.“
„Andere in der Gruppe haben arrangiert mit verschiedenen Fischern, dass sie ihre Boote zur Verfügung stellen, um die Tour über den Öresund nach dem neutralen und freien Schweden bringen konnten.“
Erinnerte
sich nach dem Krieg Arne Melchior, Sohn des damaligen Kopenhagener
Oberrabbiners. Mit anderen Jugendlichen half der damals 17-Jährige bei den
Fluchtvorbereitungen, an denen sich dänische Bürger aller Alters- und
Berufsgruppen beteiligten, Akademiker und Studenten, Handwerker und Fischer,
Unternehmer und Bauern, Pfarrer und Staatsdiener.
Die Dänen machten keinen Unterschied, ob die Juden seit Generationen im Land lebten oder erst seit wenigen Jahren, wie die Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland.
Die Dänen machten keinen Unterschied, ob die Juden seit Generationen im Land lebten oder erst seit wenigen Jahren, wie die Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland.
„Es gab in
Dänemark ungefähr 1.500 Juden, die nicht dänische Bürger waren. Juden waren
Mitmenschen, so wie alle anderen. Und ob sie Ausländer waren oder dänische
Bürger waren, war nicht wichtig.“
In Schweden waren sie sicher
Als
hilfreich erwies sich die geringe Entfernung zwischen der dänischen Ostküste
und Schweden. So konnten Fischer mit ihren Kuttern und anderen Kleinbooten im
Lauf weniger Tage Tausende von Juden bei Nacht und Nebel ins rettende Schweden
schmuggeln.
„Wir wissen
genau, dass dieses nicht selten von Mitgliedern der deutschen Wehrmacht gesehen
wurde. Aber die haben sich umgedreht, sie haben die Augen zugemacht. Und ich
spreche hier von der Wehrmacht und nicht von den Gestapo-Menschen.“
In Schweden
kamen die Juden in provisorischen Unterkünften unter, wo sie vor dem
Nazi-Regime sicher waren.
Der deutsche Diplomat Georg Ferdinand Duckwitz schrieb danach in sein Tagebuch: „Als ich die Nachricht erhielt, hatte ich einen jener seltenen glücklichen Augenblicke in meinem Leben, die mir die wohltuende Gewissheit gaben, nicht umsonst auf der Welt zu sein.“
Der deutsche Diplomat Georg Ferdinand Duckwitz schrieb danach in sein Tagebuch: „Als ich die Nachricht erhielt, hatte ich einen jener seltenen glücklichen Augenblicke in meinem Leben, die mir die wohltuende Gewissheit gaben, nicht umsonst auf der Welt zu sein.“
7.000 Juden entkamen dem Völkermord
Die
israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ehrte Duckwitz als „Gerechten
unter den Völkern“.
Ihm, aber noch mehr der Hilfe und Risikobereitschaft der dänischen Bevölkerung, war es zu verdanken, dass mehr als 7.000 Juden dem Völkermord entkamen.
Ihm, aber noch mehr der Hilfe und Risikobereitschaft der dänischen Bevölkerung, war es zu verdanken, dass mehr als 7.000 Juden dem Völkermord entkamen.
„Später hat
man kritisiert, dass man für so eine Situation nicht vorbereitet hat, aber wenn
es nicht so spontan gekommen wäre, dann wäre es sicher nicht so gut geglückt,
dass 90 Prozent gerettet wurden.“
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